Zur Ausstellungseröffnung "Neuland / Aufbruch"
im Galerie Thron, Reutlingen, 22.01.2012 —Christoph Tannert Das Wagnis findet seinen Auftakt mit einer auf die Wand aufgebrachten großformatigen Netzstruktur-Zeichnung von Mareike Lee. Sie bedecken die Wand wie ein ultraleichtes Zauberhemd, genau so wie man es sich vielleicht in Grimm's Märchen von den "Sechs Schwänen" vorstellen kann — ein zartes Verwandlungsgarn, durch die Erdanziehungskräfte in den freien Fall gezwungen. Je nachdem, wo es im Raum auftaucht, moduliert es den Raum und den Standpunkt des Betrachters. Mareike Lees "Chain-Links" sind die zeichnerischen Verbindungsglieder einer Idee von Landschaften, die für die Künstlerin als "Territorien der Imagination" in Erscheinung treten und eher gefühlte als gesehene Naturphänomene sind. Ich sehe in ihnen nicht Zustandsbeschreibungen, sondern Energiefeldmessungen von Wasserfällen, Bergmassiven, arktischem Eis und rotierenden Sonnen. Ob mit Tusche auf schwarzem Karton, mit Buntstiften auf Pressspanplatte oder mit Silbertinte auf Japanpapier, in gerahmten Einzelblättern oder luftig an die Wand gepinnten Serien, Mareike Lee plädiert für die Freiheit und Unabhängigkeit der Form vor der Gegenstandsbeschreibung. Es passiert nicht oft, dass jemand das prinzipiell Künstliche mit derart leichter Hand entfaltet wie Mareike Lee, die komplexe Zusammenhänge mühelos in anspruchsvoller Einfachheit zu übersetzen vermag, in einen Stil höherer Naivität (im besten Sinne). |